Am 14. Juli 2017 hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) ein Papier mit Grundsätzen veröffentlicht, nach denen die Regulierungsbehörden des Bundes und der Länder die Regeln zu entflechtungsrechtlichen Fragen im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) auslegen. Wie die BNetzA auf ihrer Webseite erklärt, geht es dabei vor allem um das Verhältnis des Messstellenbetriebs – insbesondere des Betriebs moderner Messeinrichtungen und intelligenter Messsysteme (mME, iMS) – zum Netzbetrieb.
Kernaussage der Auslegungsgrundsätze ist, dass auch der grundzuständige Messstellenbetrieb mit modernen Messeinrichtungen und intelligenten Messsystemen zum Netzbetrieb gehöre und aus diesem Grund auch vollständig den Entflechtungsregelungen des Energiewirtschaftsgesetzes (§§ 6 ff. EnWG) unterliege. Nach Auffassung der BNetzA seien bei Unternehmen, die die De-Minimis-Schwelle überschreiten, an deren Netze also 100.000 oder mehr Kunden angeschlossen sind, auf den grundzuständigen Messstellenbetrieb mit intelligenter Messtechnik daher nicht nur die (in § 3 Abs. 4 Satz 2 MsbG genannten) Vorschriften der buchhalterischen Entflechtung anzuwenden, sondern auch die Vorgaben des EnWG zur informatorischen, operationellen und rechtlichen Entflechtung.
Die zweite Kernaussage der Regulierungsbehörden hat ggf. größere Auswirkungen: Danach soll die Ausprägung der Rolle des dritten (wettbewerblichen) Messstellenbetreibers nicht in derselben juristischen Person möglich sein, in der auch der Netzbetreiber bzw. grundzuständige Messstellenbetreiber (gMSB) angesiedelt ist.
Rechtlich nicht entflochtene Unternehmen könnten nach Auffassung der BNetzA daher nicht grundzuständiger und zugleich wettbewerblicher Messstellenbetreiber (wMSB) in derselben Gesellschaft (z.B. der Stadtwerke GmbH) sein – auch nicht über die Marktrolle „Vertrieb“. Hierfür komme nur eine andere juristische Person in Frage. Und zwar – da das MsbG keine De-Minimis Regelung kennt – ohne Berücksichtigung der Frage, ob mehr als 100.000 Kunden an das Netz angeschlossen sind. In der Konsequenz bedeutet dies, dass zur Ausprägung eines wettbewerblichen Messstellenbetreibers in diesen Fällen eine weitere Gesellschaft gegründet werden müsste.
Im Falle von bereits rechtlich entflochtenen Energieversorgungsunternehmen muss die Rolle des wettbewerblichen Messstellenbetreibers in einer Wettbewerbsgesellschaft (Erzeugung/Vertrieb)angesiedelt werden.
Die Aussagen der Regulierungsbehörden sind rechtlich nicht verbindlich – sie geben aber das Verständnis der Regulierungsbehörden wieder, an dem sich voraussichtlich auch zukünftige regulierungsbehördliche Aufsichtsmaßnahmen orientieren werden. Inhaltlich verstehen die Regulierungsbehörden die entflechtungsrechtlichen Regeln im MsbG nach Auffassung der uns in dieser Sache beratenden Kanzlei BBH extrem weitgehend. Der Gesetzgeber hat in § 3 Abs. 4 Satz 2 MsbG ausdrücklich normiert, dass die Unabhängigkeit des grundzuständigen Messstellenbetriebs für moderne Messeinrichtungen und intelligente Messsysteme von anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung über die buchhalterische Entflechtung sicherzustellen ist. Weitergehende Vorgaben zur Entflechtung trifft das MsbG gerade nicht.
Die Begründung der regulierungsbehördlichen Auffassung ist sehr einseitig und rechtlich nicht zwingend – insbesondere zu der notwendigen rechtlichen Trennung von wMSB und gMSB, sogar für diejenigen Energieversorgungsunternehmen, die bisher nicht rechtlich entflochten sind (sog. De-Minimis-Unternehmen). Eine so weitgehende Trennung kann dem MsbG gerade nicht entnommen werden.
Da der wettbewerbliche Messstellenbetrieb häufig eine notwendige strategische Option zur Umsetzung des MsbG sein wird (Kundenbindung, keine Geltung der Preisobergrenzen, freie Vertrags- und Produktgestaltung), werden betroffene Unternehmen abwägen müssen, ob sie eine eigene Gesellschaft gründen oder ggf. einen Konflikt mit den Regulierungsbehörden in Kauf nehmen.
Wegen des unverbindlichen Charakters der Auslegungsgrundsätze fehlt aktuell eine sinnvolle Rechtsschutzmöglichkeit, über die eine verbindliche Klärung im Vorhinein möglich ist.
Aufgrund der genannten Kritik an den Auslegungsgrundsätzen werden wir jedoch an die BNetzA und die Landesregulierungsbehörde eine Stellungnahme richten. In dieser Stellungnahme werden wir uns kritisch mit den Auslegungsgrundsätzen auseinandersetzen und unsere rechtliche Auffassung gegenüber den Regulierungsbehörden platzieren. Selbstverständlich können wir Ihnen diese als Vorlage für eine eigene Stellungnahme zur Verfügung stellen.